1,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland mediensuchtgefährdet

Der Anteil der Jungen und Mädchen, die ein höchst problematisches Medienkonsumverhalten zeigen, ist laut neuer DAK-Studie auf einen Rekordwert gestiegen.

Die Corona-Pandemie wirft ihren langen Schatten auf das Mediennutzungs- und damit indirekt auch auf das soziale und das Bewegungs-Verhalten der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. In den Jahren der wiederholten Lockdowns hat sich die Mediensucht laut einer Längsschnittstudie, die die DAK-Gesundheit zusammen mit der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) durchgeführt hat, mehr als verdoppelt.

Konkret waren nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation im Juni 2022 6,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen abhängig von Computerspielen, das entsprach 330.000 Jungen und Mädchen. Drei Jahre zuvor hatte der Anteil noch 2,7 Prozent betragen. Separat betrachtet wurde Suchtverhalten bei Social Media; hier stieg der Anteil der Betroffenen von 3,2 auf 6,7 Prozent. Rund 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche weisen in einem der beiden Bereiche, manchmal auch in beiden, ein problematisches Nutzungsverhalten auf.

Die Zahlen basieren auf fünf Befragungen von 1.200 Familien in ganz Deutschland über vier Jahre hinweg. Neben dem Gaming- und dem Social-Media-Nutzungsverhalten wurde auch erhoben, wie oft die Kinder und Jugendlichen Streamingdienste nutzten. Hier wird 2,4 Prozent von ihnen ein pathologisches Konsumverhalten attestiert.

„Stillstand in der psychosozialen Reifung“

Zwar ist Mediensucht prinzipiell nicht so gefährlich für das Wohlergehen der Jungen und Mädchen wie eine Drogensucht, doch eine Bagatelle stellt sie auch nicht dar. Der an der Studie beteiligte Ärztliche Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am UKE, Prof. Dr. Rainer Thomasius, warnt vor einem „Stillstand in der psychosozialen Reifung“ der Betroffenen: „Da persönliche, familiäre und schulische Ziele in den Hintergrund treten, werden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöst.“

Die Studienautoren empfehlen daher, Präventions- und Hilfsangebote auszubauen, insbesondere die Informationsarbeit. „Es ist eine neue Entwicklungsaufgabe von Politik und Gesellschaft, dass Kinder und Jugendliche lernen, die Risiken der Nutzung digitaler Medien einschätzen zu können und ihr Nutzungsverhalten zu reflektieren, damit sie die Möglichkeiten der digitalen Welt langfristig für ihr privates und berufliches Leben konstruktiv nutzen können“, umreißt DAK-Vorstandschef Andreas Storm die Herausforderung.

An vorderster Front in diesem Kampf stehen die Eltern, die den Medienkonsum ihrer Heranwachsenden idealerweise kontrollieren und eindämmen sollten. Dass sich das ähnlich schwierig und konfliktreich gestalten kann wie die Loslösung von einer Substanzabhängigkeit, gehört für viele von ihnen zu den täglichen Erziehungserfahrungen.