Die farbige Nährwertkennzeichnung kommt – zumindest weitgehend

Lebensmittel-Hersteller sollen den sogenannten Nutri-Score auf ihre Verpackungen drucken dürfen. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas, der von Kinderärzten begrüßt wird.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner gilt nicht als Freundin strenger Vorgaben für die Lebensmittelindustrie. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) warf ihr deshalb bereits einen „Kuschelkurs“ vor und forderte wiederholt Maßnahmen gegen überzuckerte, stark fett- und/oder salzhaltige Produkte. Zu den Instrumenten, denen ein nennenswerter Effekt zugetraut wird, gehört auch der Nutri-Score. Das aus Frankreich stammende farbige Kennzeichnungssystem verdeutlicht den Kunden übersichtlich, welchen Nährwert sie mit einem Produkt erwerben. Neben Zucker, Fett und Salz werden dabei auch Proteine und Ballaststoffe einbezogen. Am Ende steht ein Wert auf einer fünfstufigen, von Rot bis Dunkelgrün verlaufenden Skala.

Lange hatte sich Ministerin Klöckner gegen die Kennzeichnung gesperrt, nun gab sie jedoch ihren Widerstand auf. Eine Verordnung soll den Einsatz des Nutri-Scores regeln. Zwar sollen die Hersteller nicht zur Angabe verpflichtet werden, doch haben bereits zahlreiche Lebensmittelproduzenten und Handelsketten angekündigt, den Nutri-Score aufzunehmen. Bis Mitte 2020 soll der Rechtsrahmen abgestimmt und beschlossen sein.  

Der BVKJ äußerte sich erfreut über die Kehrtwende der Ministerin. „Als Kinder- und Jugendärzte begrüßen wir die Einführung des Nutri-Scores. Wir haben ihn lange gefordert. Seine Wirksamkeit ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen worden. Eltern werden es künftig leichter haben, ihre Kinder gesund zu ernähren“, ließ BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach in einer Pressemeldung verlauten. Zugleich fordert sein Verband weitere Maßnahmen gegen Übergewicht und Adipositas, etwa eine Zuckersteuer wie in Großbritannien, höhere Qualitätsstandards für Kita- und Schulessen oder ein Werbeverbot für speziell an Kinder gerichtete Lebensmittel.

Mehr übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche erwartet
Laut Robert Koch-Institut ist die Zahl der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland, die als übergewichtig oder fettleibig gelten, in den letzten Jahren nicht gestiegen. Knapp jeder Zehnte in dieser Altersgruppe sei übergewichtig, rund sechs Prozent adipös. Experten erwarten jedoch, dass der Anstieg dieser Quoten bald weitergehen wird. So prognostiziert die internationale Adipositas-Gesellschaft „World Obesity“, dass hierzulande in einem Jahrzehnt rund eine halbe Million mehr Kinder und Jugendliche fettleibig sein werden als heute. Das wären dann insgesamt circa 1,3 Millionen.

„Immer mehr Kinder und Jugendliche bewegen sich im Alltag zu wenig, wie erst kürzlich wieder eine Studie der Weltgesundheitsorganisation gezeigt hat. Ihr zufolge kommt nur rund ein Fünftel der 11- bis 17-Jährigen auf das empfohlene Minimum von einer Stunde Bewegung pro Tag“, erläutert der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani. „Wenn dann zusätzlich noch eine stark zucker-, fett- und salzhaltige Ernährung gepflegt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich Übergewicht einstellt. Und dieses kann wiederum zahlreiche Folgeerkrankungen begünstigen. Daher ist der Nutri-Score ein Schritt in die richtige Richtung. Am besten ist es allerdings, auf verarbeitete Lebensmittel so weit wie möglich zu verzichten und lieber auf frische zuzugreifen – denn die sind gesünder und machen in der Regel nicht dick.“