Kinderärzte kritisieren Bundesernährungsministerin

Verbindliche Vorgaben für die Reduktion oder zumindest deutliche Kennzeichnung des ungesund hohen Fett-, Zucker- und Salzgehalts in Fertigprodukten wird es vorerst nicht geben.

Es waren ungewöhnlich undiplomatische Worte, die Dr. Sigrid Peter, Vizepräsidentin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), kürzlich nach Konsultationen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft äußerte: „Wir haben versucht, mit unserem medizinischen Fachwissen konstruktiv an den Prozess- und Zielvereinbarungen mitzuwirken. Die Ministerin hat uns dazu ausdrücklich eingeladen. Doch es stellt sich immer mehr heraus, dass wissenschaftliche Erkenntnisse bei den konkreten Reduktionszielen kaum berücksichtigt werden.“

Drei Termine im Ministerium hatten Vertreter des BVKJ wahrgenommen, um über verbindliche Vorgaben für die Lebensmittelindustrie zu sprechen. Diese mischt ihren Fertigprodukten nach wie vor riesige Mengen an Fett, Zucker und Salz bei. Dadurch werden die Nahrungsmittel zwar – insbesondere für Kinder und Jugendliche – leckerer, so dass sie mehr davon essen. Doch zugleich steht der hohen Kalorienaufnahme kaum Nährwert gegenüber. „Stark verarbeitete Fertigprodukte machen in aller Regel weniger satt als dick und krank“, warnt der Kinderarzt Kyros Mani, der in Berlin-Wittenau praktiziert.

Eine gesetzliche Pflicht zur Reduktion der ungesunden Inhaltsstoffe oder zumindest zur deutlichen Kennzeichnung – etwa mit einer „Lebensmittelampel“ wie in anderen Ländern – wird seit vielen Jahren diskutiert. Doch auch die aktuelle Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) sieht trotz besorgniserregender Ausbreitung von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen nicht genug Gründe, die Industrie stärker an die Kandare zu nehmen.     

„Weit hinter dem, was nötig wäre“
„Die Ministerin setzt mit ihrer Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten weiterhin auf Freiwilligkeit und den Konsens mit der Industrie. Deren Ziele bleiben jedoch weit hinter dem zurück, was aus wissenschaftlicher Sicht nötig wäre, um den Anstieg von Übergewicht vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu stoppen“, moniert Dr. Peter.

So soll die Nährwertkennzeichnung weiterhin freiwillig bleiben. Auch eine Besteuerung der extrem zuckerhaltigen Softdrinks, wie vom BVKJ gefordert, wird es nicht geben. Immerhin: Ministeriumsvertreter konnten sich dazu durchringen, demnächst zu verbieten, dass speziell an Kinder gerichtete Joghurts mehr Zucker enthalten als normale Joghurts. Ein Fortschritt, der in den Augen das BVKJ „nicht nur unzureichend, sondern auch zynisch“ anmutet.