Rätselhafte Häufung von Hepatitis-Fällen bei Kindern

Die EU spricht von einem „besorgniserregenden Gesundheitsereignis“: Bei Hunderten unter zehnjährigen Kindern kam es jüngst zu einer schweren Hepatitis, auch in Deutschland gibt es erste Fälle.

Für gewöhnlich treten in Großbritannien pro Jahr weniger als zehn Fälle von Hepatitis bei Kindern auf; Mitte April jedoch wurden innerhalb einer Woche 60 Fälle registriert. Kurz darauf wurden auch aus Spanien, Irland, den Niederlanden und den USA auffällige Häufungen gemeldet, Ende April schließlich der erste Fall in Deutschland aktenkundig, während die Gesamtzahl sich der 200er-Marke näherte. Die Ausbrüche betreffen Kinder unter zehn Jahren, in der Mehrzahl unter fünfjährige. Und viele der Erkrankungen nehmen einen schweren Verlauf.

„Hepatitis, eine Entzündung der Leber, kann im Extremfall zu Leberversagen führen, tritt bei Kindern aber gemeinhin sehr selten in schweren Ausprägungen auf“, erklärt der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani. Umso alarmierender: Infolge der jüngsten Erkrankungswelle mussten bereits einige Lebertransplantationen vorgenommen werden, um das Leben der betroffenen Kinder zu retten. Die Gesundheitsbehörde der Europäischen Union, ECDC, klassifiziert das Geschehen als „besorgniserregendes Gesundheitsereignis“.

Adenoviren unter Verdacht
Rätselhaft: Es handelt sich nicht um eines der gängigen Hepatitisviren, die mit A bis E bezeichnet werden. Die betroffenen Kinder wiesen in der Regel keinerlei Vorerkrankungen auf. Vermutet wird indes, dass es einen Zusammenhang mit Adenoviren geben könnte, verbreiteten Erkältungsviren, die normalerweise keine schweren Symptome auslösen. Denn auffällig viele der erkrankten Kinder wurden positiv auf das Adenovirus 41 getestet. Die ECDC geht daher der „Arbeitshypothese“ nach, dass dieses Virus die Hepatitis triggert – auch wenn nicht alle Betroffenen es in sich tragen und unklar ist, auf welche Weise das Triggern vor sich gehen könnte. Möglich ist, dass es eine neuartige Virusvariante ist oder dass andere Faktoren hinzukommen müssen.

Auch ein Zusammenhang mit Covid-19 wird noch geprüft, denn das Coronavirus könnte das Immunsystem der Kinder entscheidend geschwächt haben. Allerdings sprechen geringe Covid-19-Fallzahlen unter den Hepatitis-Erkrankten gegen diese Hypothese.

Eltern können bisher wenig gegen die neue Gefahr tun. Bei Auftreten der einschlägigen Symptome – Bauchschmerzen, Gelbsucht, Erbrechen und Durchfall – sollten sie mit ihren Kindern jedoch vorsichtshalber in einer Arztpraxis vorstellig werden.