Warum Atemwegsinfektionen selten Antibiotika erfordern
Viele Eltern wünschen sich, dass ihre hustenden und fiebernden Kinder „vorsichtshalber“ Antibiotika erhalten. Gerade die Vorsicht legt allerdings große Zurückhaltung bei der Verordnung nahe.
Die Erkältungs- und Schnupfensaison steuert auf ihren Höhepunkt zu. Bei nicht wenigen Kindern folgt Infekt auf Infekt. Für Eltern bedeutet das in der Regel unruhige Nächte und stetes Kopfzerbrechen: zum Arzt bzw. Notdienst oder nicht? Ist es nur eine harmlose Atemwegsinfektion (AWI), die erfolgreich symptomatisch behandelt werden kann? Oder drohen Komplikationen, wenn nicht mit Antibiotika gegengesteuert wird?
Angesichts der nervlichen Belastung ist der elterliche Wunsch verständlich, „auf Nummer sicher“ zu gehen – und die Sprösslinge mit Antibiotika zu versorgen. Doch mit einer solchen Verordnung tut man den Kindern in aller Regel keinen Gefallen, im Gegenteil. Darauf weist auch die kürzlich herausgegebene diesbezügliche gemeinsame Empfehlung dreier pädiatrischer Fachgesellschaften (DGPI, DGKJ, DAKJ) und des Kinder- und Jugendärzte-Berufsverbands (BVKJ) hin. Die Autoren führen verschiedene Studien an, die eine zu häufige Antibiotikagabe an Kinder mit AWI belegen.
„Bei der Verordnung von Antibiotika ist Zurückhaltung angezeigt, denn damit gehen potenziell beträchtliche Risiken und Nebenwirkungen einher“, betont der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani. „Immer mehr Erreger entwickeln Resistenzen, sprechen also nicht mehr auf bestimmte Antibiotika an. Dadurch kann die Gefährdung des Kindes wie auch seiner sozialen Umgebung steigen. Hinzu kommen mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, allergische Reaktionen, Diarrhö oder – im Extremfall – sogar Leberversagen.“
90 Prozent der Bronchitis-Erkrankungen ohne Antibiotika therapierbar
Aus diesen und weiteren Risiken leitet sich die Empfehlung der vier Fachorganisationen, Antibiotika äußerst restriktiv zu handhaben, ab. Aber wie steht es mit dem Risiko von Komplikationen, die mit Antibiotika verhindert werden könnten? Hier gibt ein Ländervergleich Aufschluss: In den Niederlanden und Schweden, wo bei AWI relativ wenige Kinder Antibiotika erhalten, kommt es nicht häufiger zu einschlägigen Komplikationen als in sogenannten Hochverordnungsländern. Umfangreiche epidemiologische Studien kommen zu dem Schluss, dass das Risiko schwerer eitriger Komplikationen durch restriktive Antibiotika-Verordnung um maximal 3,8 Fälle pro 10.000 Patienten steigt.
Bei einer akuten Bronchitis beispielsweise ist nur in rund jedem zehnten Fall die Gabe von Antibiotika erforderlich. Indikationen dafür können länger als drei Tage andauerndes Fieber (über 39 Grad), erneutes Fieber nach mindestens 24-stündigem Abklingen und stark ausgeprägte Entzündungszeichen sein. Entscheidend ist jedoch immer der individuelle Gesundheitszustand und Erkrankungsverlauf – und damit die ärztliche Einzelfalldiagnose.