Warum Eltern mehr aus Büchern als vom Bildschirm vorlesen sollten

Das Vorlesen, angereichert mit Anmerkungen und Erklärungen, fördert die kindliche Entwicklung. Wie eine US-Studie zeigt, macht es einen Unterschied, woraus vorgelesen wird.

Wortschatz und Weltverständnis, aber auch die allgemeine geistige Entwicklung von Kindern profitieren enorm, wenn Eltern ihnen vorlesen. Das wurde bereits vielfach empirisch belegt. Neben den kognitiven Vorteilen stärkt das Vorlesen auch die emotionale Eltern-Kind-Bindung und die Beziehungen zu Gleichaltrigen. „Sooft es geht sollten Eltern ihren Kindern altersgerechte Texte vorlesen und zusätzlich frei darüber sprechen, um das Verständnis zu fördern. Das zahlt sich für die Kinder auf mehreren Ebenen aus“, betont der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani.

Rein intuitiv würden wohl die meisten Eltern vermuten, dass es keinen Unterschied macht, ob sie aus einem gedruckten Buch, einem E-Book oder von einem Tablet vorlesen. Die Seiten sind schließlich in der Regel identisch. Wie US-Forscher kürzlich im Fachblatt „Pediatrics“ berichteten, ist diese Annahme jedoch falsch. Herausgefunden haben sie das mit einer Studie, für die 72 Eltern in der Interaktion mit ihren zwei- bis dreijährigen Kindern beobachtet wurden. Eine Hälfte las Kinderreime von einem Tablet, die andere aus einem klassischen Buch vor.

Technik scheint Aufmerksamkeit zu verringern
Die Wissenschaftler stellten fest, dass die von einem Tablet lesenden Eltern signifikant weniger über die Reime sprachen und Fragen dazu stellten. Gerade dieser freie Austausch aber sei sehr entwicklungsfördernd. Die Kinder wiederum zeigten bei Tablets weniger Reaktionen und Aufmerksamkeit, auch ihr Interesse ließ schneller nach als bei jenen, denen aus einem Buch vorgelesen wurde.

Kritisch sehen die Forscher das in vielen Kinder-E-Books enthaltene Angebot, interaktiv durch Tippen auf Knöpfe und dergleichen zusätzliche Informationen oder Geräusche abzurufen. Zum einen erhalten die Kinder so keine individuellen Antworten auf ihre Verständnisfragen. Zum anderen und vor allem aber drängen die interaktiven Elemente das Eltern-Kind-Gespräch in den Hintergrund, auf das es am meisten ankomme. Wenn Eltern auf E-Books zurückgreifen möchten, sollten diese mithin wie ein klassisches Buch funktionieren und keine elektronischen Ablenkungen bieten. Am Ende kommt es ohnehin weniger auf das Medium an als auf das, was Eltern mit ihren Kindern daraus machen.