Wenn die Kinder sich vor Momo gruseln

Eine virtuelle Figur erschreckt Kinder derzeit mit Kettenbriefen in sozialen Netzwerken. Manche jungen Mediennutzer sind davon psychisch überfordert.

Medienpädagogen streiten darüber, wann Eltern ihren Kindern guten Gewissens ein Smartphone, Tablet oder Notebook samt Zugang zu sozialen Netzwerken überlassen sollten. Fakt ist, dass schon zahlreiche Grundschüler mehr oder weniger unkontrolliert bei WhatsApp, Snapchat oder Facebook unterwegs sind. Das hat seine Tücken, wie bereits vor einem Monat an dieser Stelle im Beitrag über Mobbing zur Sprache kam. Neben dem gezielten „Dissen“ einzelner Personen haben die sozialen Netzwerke ein weiteres Negativphänomen hervorgebracht, das in den letzten Monaten große Verbreitung gefunden hat: Grusel-Kettenbriefe.

Deren bekanntester Protagonist ist eine animierte Horrorpuppe namens Momo. Per Kettenbrief erscheint ihr zwischen Zombie und Alien angesiedeltes Konterfei auf den Geräten von Kindern und Jugendlichen und ruft zur „Momo Challenge“ auf. Die Empfänger werden unter Druck gesetzt, bestimmte Handlungen – zunächst vor allem die Weiterverbreitung des Kettenbriefs – auszuführen. Das kann beispielsweise so klingen: „Hallo, ich bin Momo und bin vor drei Jahren verstorben. Ich wurde von einem Auto angefahren. Wenn du nicht möchtest, dass ich heute Abend um 00:00 Uhr in deinem Zimmer stehe und dir beim Schlafen zuschaue, dann sende diese Nachricht an 15 Kontakte weiter. Du glaubst mir nicht?“

Derartige Drohungen überfordern viele Kinder und Jugendliche. Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte werden manche von ihnen „angeblich sogar bis in den Suizid“ getrieben. Auch wenn ein diesbezüglicher Verdachtsfall in München sich als falscher Alarm herausgestellt hat: Momo und vergleichbare Grusel-Kettenbriefe setzen vor allem jüngere Empfänger psychischem Stress aus, der in vielen Fällen weit über einen Spaß hinausgeht.

Was sollten Eltern tun?

„Grundsätzlich empfiehlt es sich, den Kindern nicht zu früh ungehinderten Zugang zu sozialen Netzwerken zu gewähren. Es kursiert dort einfach zu vieles, das für Kinderaugen und -ohren nicht geeignet ist. Ob Pornos, Gewaltvideos oder eben Kettenbriefe: Solche für die seelische Gesundheit von Kindern gefährlichen Inhalte finden immer wieder ihren Weg in WhatsApp-Gruppen und vergleichbare Zusammenschlüsse“, warnt der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani. Wann die psychische Reife für einen autonomen Umgang mit Smartphone, Tablet & Co. gegeben ist, lässt sich nicht pauschal sagen – das ist von Kind zu Kind unterschiedlich.

Wer seinen Kindern freie Hand lässt, sollte sie sorgfältig für die Gefahren sensibilisieren und die ersten Schritte im sozialen Netzwerk mit ihnen gemeinsam gehen. Zudem sollten sie deutlich machen: Kettenbriefe sollten nie weitergeleitet, sondern gelöscht werden. Keinesfalls ist es ratsam, enthaltenen Links zu folgen oder Anhänge zu öffnen, schon gar nicht, persönliche Daten preiszugeben. Kommt ein Kettenbrief von einem unbekannten Absender, sollte dessen Nummer blockiert werden. Und schließlich steht auch der Weg zur Polizei offen: Wenn Kettenbriefe per Drohungen zum Mitmachen auffordern, stellt das eine strafbare Nötigung dar. Genau genommen verstößt man also mit der Weiterleitung eines entsprechenden Kettenbriefs schon selbst gegen das Gesetz.