Wird Werbung für ungesunde Lebensmittel verboten?
Die Ampelkoalition peilt eine deutlich stärkere Regulierung der elektronischen Werbung an. So sollen vor allem Kinder und Jugendliche vor dem grassierenden Übergewicht geschützt werden.
Rund 15 Mal pro Tag sind Kinder laut einer Studie der Universität Hamburg Werbung für Fast Food, Süßigkeiten und weitere nicht empfehlenswerte Lebensmittel ausgesetzt. Diese Dauer-Beeinflussung hat Folgen: Das Robert Koch-Institut hat erhoben, dass die Kinder hierzulande rund 60 Prozent mehr Zucker konsumieren, als nachhaltig gesund wäre. Auf der anderen Seite stehen auf ihrem Speiseplan nur rund halb so viel Obst und Gemüse, wie von Ernährungsforschern für angemessen gehalten wird.
Als Folge daraus sind viele Kinder in Deutschland zu dick, nach den Corona-Lockdowns mehr denn je. Und das hat wiederum potenziell ernste Konsequenzen, wie der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani hervorhebt: „Übergewicht kann auf körperlicher Ebene langfristige Schädigungen etwa für das Herz-Kreislauf-System oder den Stütz- und Bewegungsapparat bewirken, insbesondere da übergewichtige Kinder häufig zu übergewichtigen Erwachsenen werden. Hinzu kommen oftmals auch Belastungen auf seelischer Ebene, durch soziale Ausgrenzung und/oder ein gestörtes Selbstwertgefühl.“
Das Problem wurde auch auf politischer Ebene längst erkannt, doch die bisherigen Versuche einer Eindämmung – in der Regel unter Einbezug der Lebensmittelkonzerne – fielen eher halbherzig aus. Die Ampelkoalition in Berlin will nun jedoch eine lange von Kinderschutzorganisationen geforderte Maßnahme angehen: ein weitgehendes Verbot der an Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel.
Hoher Zucker-, Fett- oder Salzgehalt entscheidet
Ob ein Nahrungsmittel als ungesund eingestuft wird, soll anhand des Zucker-, Fett- und Salzgehalts bemessen werden. Der Ansatz stößt weithin auf positives Echo. „Kinder sind tagtäglich den Lockrufen für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt. Das begünstigt ungesunde Ernährungsmuster im Kindesalter und kann sich ein Leben lang negativ auf die Gesundheit auswirken“, unterstreicht etwa die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann.
Gleichwohl betonen die meisten Beobachter, dass es sich nur um einen ersten Schritt handeln könne. Verbreitet ist die Forderung nach einer einfachen, gut sichtbaren, verpflichtenden Kennzeichnung der gesundheitlichen Qualitäten von Lebensmitteln wie bei der „Lebensmittelampel“ und dem „Nutri-Score“. Auch eine Extrasteuer auf stark zuckerhaltige Getränke ist im Gespräch, ebenso eine Verbilligung von Obst und Gemüse durch die Streichung der Mehrwertsteuer.
Großen Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Kinder haben indes auch die Eltern. Sie sollten daher vor allem mit gutem Beispiel, weniger mit bloßen Ermahnungen vorangehen.