Zuckerkonsum verändert „Verdrahtung“ im Gehirn
Max-Planck-Forscher haben untersucht, wie sich zucker- und fettreiche Nahrung auf die Hirnaktivität auswirkt. Fazit: Man will immer mehr davon.
Übergewicht und Fettleibigkeit breiten sich in den Industriestaaten immer weiter aus, auch Kinder und Jugendliche bringen zunehmend mehr auf die Waage, als gesundheitlich ratsam wäre. „Die Kinder bewegen sich immer weniger und sitzen stattdessen häufig vor einem Bildschirm. Hinzu kommen die Versuchungen aus dem Süßwarenregal, einschließlich Softdrinks“, umreißt der in Berlin-Wittenau praktizierende Kinderarzt Kyros Mani die Problemlage, die sich in den Coronajahren noch verschärft hat.
Es fällt jungen Menschen ebenso schwer wie den älteren, auf Zucker- und Fettreiches zu verzichten – obwohl sattsam bekannt ist, dass der Körper eigentlich anderes verlangt. Warum ist das so?
Dieser Frage sind Forscher des Kölner Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in einer Studie nachgegangen. Sie begann mit einer Hirnaktivitätsmessung bei den 49 gesunden Probanden, die anschließend acht Wochen lang neben ihrer gewöhnlichen Kost täglich zwei Puddings erhielten. Bei 26 Teilnehmern wurde diesen viel Zucker und Fett beigemischt, die Kalorienzahl war indes bei beiden Gruppen gleich. Zum Abschluss wurde erneut die Hirnaktivität gemessen.
„Umprogrammierung der Gehirnnetzwerke“
Die Auswertung, von den Wissenschaftlern kürzlich im Fachmagazin „Cell Metabolism“ veröffentlicht, bestätigt, was man ohnehin schon geahnt hat: Zucker und Fett verändern das Gehirn nachhaltig, es kommt zu einer Art Suchteffekt. Unbewusst werden wir getrieben, immer mehr der ungesunden Snacks zu essen. In den Worten des Studienleiters Marc Tittgemeyer: „Wir reden hier von einer Umprogrammierung der Gehirnnetzwerke. Im Gehirn wurden durch den Konsum neue Verbindungen zwischen Nervenzellen geknüpft, die sich nicht so schnell wieder auflösen.“
Infolge der „Umprogrammierung“ wird das dopaminerge System, das Motivation und Belohnung regelt, durch Fett und Zucker besonders aktiviert. „Unsere Messungen der Gehirnaktivitäten haben gezeigt, dass sich das Gehirn durch den Konsum von Pommes und Co. neu verdrahtet. Es lernt unterbewusst, belohnendes Essen zu bevorzugen“, so Tittgemeyer.
Die Validität der Studie ist vielleicht aufgrund der überschaubaren Probandenzahl nicht über alle Zweifel erhaben. Doch ihre Ergebnisse bestätigen ohnehin nur eine verbreitete Alltagswahrnehmung und dürften niemanden überraschen. Eltern stehen vor der nicht geringen Herausforderung, ihre Kleinen möglichst lange von „hirnumprogrammierenden“ Lebensmitteln fernzuhalten.